Hans Winter

Ein Teil des Differenzierungskurses der Klasse 10 erinnert mit ihrem Projekt an Hans Winter, als am 14. Juni 2024 ein Stolperstein vor der Goetheschule für den ehemaligen Schüler verlegt wird. Nachdem die Schülerinnen und Schüler sich im Rahmen eines Folkwang-Workshops am 5. Juni mit kreativen Ansätzen im Umgang mit Archivmaterial beschäftigt hatten, nahmen sie sich vor, das Leben der Familie Winter als Graphic Novel nachzuzeichnen. Dazu hatten die Schülerinnen und Schüler im Vorfeld auch die Alte Synagoge und den Alten Jüdischen Friedhof im Seegeroth-Viertel besucht.

Hans Winter (2.1.1911 – 1.1.1999) war in den zwanziger Jahren Schüler der Goetheschule. Als Mitschüler sich von ihm wegen seiner „Rasse” abwenden, versteht Hans zunächst gar nicht, was gemeint ist. Schließlich ist er Deutscher wie alle anderen und seine Familie lebt seit Jahrhunderten in diesem Land. Im Ersten Weltkrieg hat der Vater an der Front gekämpft, während die Mutter die Familie allein durchbringen musste. Ein Familienhund sollte Hans damals über die jahrelange Abwesenheit des Vaters hinwegtrösten. Die Großmutter trug zum Unterhalt der Familie mit ihrem Gemüsegarten bei. Im Gegensatz zu Hans’ Eltern ging sie regelmäßig in die Synagoge und verrichtete ihre Gebete.

Hans selbst ist nicht religiös, doch 1933 begreift er, dass er in den Augen der Nazis “das falsche Gebetbuch” hat. Er wird inhaftiert, als er sich bei der Polizei nach einem Mitglied seiner Pfadfindergruppe erkundigt. Der Junge war verhaftet worden, weil er ein braunes Pfadfinderhemd trug, in der Farbe ähnlich dem der Hitler-Jugend. Hans muss über eine Woche Einzelhaft ertragen. Eine Fliege, mit der er sich die Zelle teilt, verhindert, dass er in der Isolation zusammenbricht.

Seine Familie muss währen der Pogromnacht 1938 aus der Wohnung fliehen. Drei Tage und drei Nächte bringen sie im November versteckt auf dem jüdischen Friedhof zu. Der herzkranke Vater stirbt zwei Monate später an den Folgen, da kein Arzt bereit ist, einen Juden zu behandeln. Hans gelingt kurz darauf durch einen glücklichen Zufall die Flucht ins Ausland. Mit viel Mühe kann er schließlich die Ausreise seiner Mutter organisieren.

Die Geschichte der Familie Winter steht stellvertretend für viele, deren Schicksal heute vergessen zu werden droht. Sie waren zum Ziel von Hass und Verfolgung geworden, obwohl sie einfach nur die Nachbarn von nebenan waren, so finden die Schüler: “a family just like ours, a family just like yours!”.

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Wir bedanken uns bei der Alten Synagoge Essen für die Erlaubnis zur Verwendung des historischen Fotos, das Hans Winter im Kreis seiner Freunde aus dem jüdischen Jugendverein zeigt, und für die Einblicke, die wir durch Hans Winters unveröffentlichte Autobiografie, sein Freizeittagebuch und die Audioaufnahmen mit seinen Erinnerungen an die Haftzeit erhalten haben.

Karmen Heup